Die letzten Tage vor der Abfahrt waren geprägt von schönem, warmen Wetter, mit viel Sonnenschein. Nach den letzten, finalen Vorbereitungen (Reifenwechsel, Ölwechsel, Packen) sollte es nun also endlich am Montag den 29. April losgehen. Knapp einen Monat später als ursprünglich geplant.

Unser Plan war, etwa gegen 12-13 Uhr Richtung Salzburg abzufahren. Jakob der seine Sachen bereits im Auto verstaut hatte, verbrachte die Nacht bei mir, damit wir gemeinsam abfahren konnten. Bei dieser Gelegenheit las er auch den ersten von mir verfassten Text („Vorbereitung“) und musste über diesen erfahren, dass ihm noch der gesonderte internationale Führerschein fehlte, den wir für die Türkei brauchen. Außerdem waren wir durch zahlreiche Reiseberichte und Artikel über die Fahrweise der Bevölkerung östlich von Deutschland einigermaßen besorgt und beschlossen auch noch, am nächsten Morgen, unseren Versicherungsschutz von Teilkasko, auf Vollkasko aufzuwerten. Laut diesen Berichten sind wir drauf und dran unser Auto, wie ein unerfahrener Kapitän, der sein kleines Segelboot direkt ins Bermudadreieck lenkt, irgendwo im Balkan, der Türkei oder in Russland zu versenken.
Die Versicherung konnten wir noch abschließen, aber das zuständige Amt für den Führerschein hatte bereits geschlossen. Wir wollten aber unter allen Umständen los und verzichteten deshalb auf den Führerschein für Jakob. Dieser erinnerte sich daran, dass eine alte Freundin von ihm und Joshi (Noa) inzwischen in Salzburg lebte und rief sie spontan an, ob wir sie denn nicht besuchen könnten. Wie sich herausstellte, war sie gerade in München und wollte just am selben Tag wie wir zurückfahren. Das war natürlich die perfekte Gelegenheit einen ersten „Fahrgast“ mitzunehmen und so fuhren wir gemeinsam nach Salzburg. Das Wetter war allerdings (im Gegensatz zu den Tagen vor der Abreise) nicht mehr besonders angenehm. Es regnete den gesamten Tag und es war ziemlich kalt. Das und die Tatsache, dass wir, entgegen unserem Vorhaben nie Autobahn zu fahren, fast nur Autobahn fuhren („die Garmischer ist wunderschön“), führte dazu, dass unser erster Reisetag relativ unspektakulär und eher trist verlief (was die Fahrt per se angeht). Den Abend durften wir freundlicherweise in Noas WG verbringen, in der wir, zusammen mit ihren Mitbewohnerinnen, einen sehr schönen Abend verbrachten.
Unsere erste Nacht im Bus war, obwohl es kalt und nass war (eine Dichtung an der Heckklappe leckte und Decken, Matratzen, Bezug und Kissen wurden feucht), ziemlich gemütlich. An sich, wollten wir wenigstens heute früh aufbrechen, um es an einem Tag über die Alpen, bis nach Slowenien zu schaffen. Ein mittelgroßer Ölfleck unter Jakobs und meinem Bus sprach allerdings dagegen. Wir hatten auf unseren ersten 150-200 km ca. 600ml. Öl verloren. Also ab zum Stahlgruber (in Weilheim waren Jakob und Joshi dort bereits quasi Stammkunden) um Ersatzteile zu besorgen. Nachdem die defekten Teile ausgewechselt waren, ging es dann um 15.30 Uhr (!!!) weiter.

Auch an diesem Tag war das Wetter nicht wirklich gut, aber die Alpen wirkten zwischen den Wolken und dem Nebel, der an ihren grünen Hängen entlangzog, nur um so schöner und mysteriöser. Ich persönlich bin schon sehr oft über die Alpen gefahren. Meistens mit dem Auto, manchmal auch mit dem Zug oder dem Bus, oder gar mit dem Flugzeug geflogen. Sie waren auf diesen Reisen eher ein lästiges Hindernis, dass man, ohne der Umgebung allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken, schnell überwinden wollte. Um so überwältigter war ich, als wir dann auf unzähligen Serpentinen, die kleinen, beinahe komplett leeren Passstraßen hinauf fuhren. Die Landschaft änderte sich innerhalb weniger Stunden, von der uns eher gewohnten Voralpenlanschaft, mit den bewaldeten Hügeln und den steil aufragenden Bergwänden, zu malerischen Almwiesen, die in sattem grün in den Tälern erblühten, über enge Schluchten, in denen man durch die Windschutzscheibe kaum noch den Himmel sehen konnte, bis zu dem Bergrücken, über den der eigentliche Pass letztendlich führte. Dort oben lag immer noch tiefer Schnee, doch die zahlreichen Hotels, die sich entlang der Straße von „Obertauern“ tummelten, wirkten wie ausgestorben.
Neben der Landschaft hinterließen aber auch die Menschen einen tiefen Eindruck. Einen positiven, im Falle einer alten, buckligen, aber herzlichen Frau, die uns an ihrer Tankstelle, an einem ziemlich steilen Straßenabschnitt, bediente und auf die Frage ob die Straße so steil bleibe (wer schon mal mit einem T3 über einen Berg gefahren ist kann das sicher nachvollziehen) antwortete, „des is ka Berg, des is a Hügel“. Oder ein offenbar recht selbstironisch eingestellter Einwohner des kleinen, abgelegenen Ortes „Stadl“, der an seinen Gartenzaun ein Banner mit der Aufschrift, „Willkommen in der Hinterwelt“, angebracht hatte. Aber auch negatives stach ins Auge. So waren, selbst an den entlegensten Nebenstraßen, überall Wahlplakate der FPÖ aufgestellt. Zu sehen war meistens ein älterer Herr im Anzug, der dem Betrachter überheblich ins Gesicht lächelte und seine Arme über dem Schriftzug „Raus mit den Asylchaoten“ ausbreitete.

Nach Slowenien haben wir es an diesem Tag nicht mehr geschafft. Geschlafen haben wir am Ossiacher See auf einem kleinen Parkplatz. Am nächsten Morgen war es dann endlich so weit. Wir wurden von Sonnenstrahlen geweckt, die durch unsere Vorhänge schimmerten (Eigentlich nur Jakob und ich, Marie hat im Gegensatz zu mir, wirklich dichte Vorhänge genäht). Das Wetter war ausgezeichnet und wir waren hochmotiviert endlich Slowenien zu erreichen.
Leichter gesagt als getan. Zunächst einmal dachten wir, die Alpen lägen bereits hinter uns (stimmte nicht), dann war auch noch der Pass den wir uns willkürlich ausgesucht hatten gesperrt und der nächste war um einiges weiter östlich. Als wir diesen dann nach mehreren Stunden Fahrtzeit, durch eine traumhaft schöne Berglandschaft, überwunden hatten, erreichten wir endlich das erste, unserer Meinung nach, östliche Land: Slowenien. Das war aber gar nicht so wie wir es uns vorgestellt hatten. Eigentlich hatten wir überhaupt kein Bild von diesem doch ziemlich kleinen Land (und seiner atemberaubenden Bergkulisse), es wirkte aber größtenteils auch nicht sehr „östlich“. Während die Bergdörfer noch unangetastet schienen, fiel im rasch flacher werdenden Gelände auf, dass sich die Orte nicht besonders von einem Ort in Bayern unterschieden. Sauber gestrichene Häuser mit gemähtem Rasen, den ein kleiner, spießiger Gartenzaun umgab und mit einem neuen Auto in der Einfahrt.
Schlafen wollten wir an der Soĉa (Isonzo), einem Fluss im Westen des Landes (ganz recht, die Strecke die wir auf der anderen Seite in Österreich nach Osten gefahren waren, fuhren wir noch am selben Tag in Slowenien wieder zurück. Luftlinie zwischen unseren beiden Schlafplätzen ca. 100km, knapp neun Stunden Fahrtzeit). Dieser Fluss war für seine spektakulär türkisene Farbe bekannt und das völlig zurecht! Nach einigem hin und her (Jakob über unsere Route auf Google Maps: „Wir brauchen echte Karten aus Papier! Auf so eine Scheiße hab ich echt keine Lust!“), fanden wir tatsächlich auch noch einen ruhigen, scheinbar verlassenen Ort direkt am Fluss.
Erinnerungswürdig an diesem Abend war vor allem die Einweihung unserer Sackduschen, die wir Mittags an einem Bergfluss befüllt hatten. Fazit: Naja, besser als Nichts.

Das Gelände war dann doch nicht so verlassen wie es in der Abenddämmerung gewirkt hatte. Im laufe des Morgens kamen mehrere Familien mit ihren Kindern angefahren, um in dem Fluss Kanu zu fahren. Sie ließen sich von uns aber nicht stören und wir beschlossen währenddessen, als Tagesziel mindestens das Meer in Kroatien zu erreichen.
Der Grenzübergang nach Kroatien war die erste Grenze an der wir kontrolliert wurden. Obwohl beide Länder in der EU sind, gibt es dort noch Kontrollen, ungewohnt für Deutsche. Es gab keinerlei Probleme. Nach einem halbherzigen, gelangweilten Blick auf die Ausweise die wir ihm aus dem Fenster hinstreckten, wurden wir von dem slowenischen Beamten weiter gewunken. Die kroatische Beamtin schien sogar beinahe darüber zu verzweifeln, dass wir auch vor ihrem Fenster nochmal anhielten und nicht einfach durchgefahren waren.
Je näher wir dem Meer kamen, desto mediterraner wurde die Landschaft. Die Bäume wurden kleiner und verdorrter und der Boden trockener. Rijeka war der Ort den wir angesteuert hatten und vor dem wir aber nach links (Südosten) abbiegen wollten, um noch mehr Strecke zurückzulegen. Die Ausfahrt verpassten wir allerdings und fuhren direkt in die Stadt, in der wir uns nach wenigen Minuten, dank des relativ chaotischen Verkehrs aus den Augen verloren hatten. Zwar konnten wir uns schnell wieder finden, doch zwang sich mir in diesem Augenblick die Frage auf, wie man solch eine Situation, in einem fremden Land, ohne Handy oder vorherige Absprache, früher (damit meine ich diese vordigitale Steinzeit) gelöst hätte.
Da Joshua und ich wie schon gesagt noch auf unsere Reisepässe und das damit verbundene Russland Visum warten müssen, können wir momentan nicht aus der EU raus. Das bedeutete für uns, einen Campingplatz für mehrere Tage zu finden, an dessen Adresse wir die Unterlagen schicken konnten. In der Nähe von Zadar, einer größeren Stadt an der Küste, genauer in Rtina fanden wir einen sympathischen Platz.
Unsere (immer noch Google) Route, führte eine Zeit lang am Meer entlang (was wir sogleich mit einer kurzen Badepause ausnutzten), später bog sie aber ins kroatische Hinterland ab und wurde gefühlt länger und länger. Ablenkung von der, inzwischen eintönigen Fahrt (es war bereits dunkel), verschaffte uns ein junges slowenisches Pärchen, dass neben uns anhielt und uns eine Flasche Wein schenkte, weil sie unsere Website besucht hatten (wir haben übrigens Magnetschilder mit unserem Logo und der Internet Adresse unserer Website an unseren Bussen) und ihnen unser Projekt gefiel. Erleb das mal in Deutschland!
Um 23.30 Uhr oder so kamen wir schließlich auf dem Platz an. Wir alle waren müde, aber Jakob und ich hatten noch Hunger und aßen noch ein paar kalte Nudeln mit Pesto vom Vortag (lecker), leider ohne Käse (weniger lecker).

Nun also beginnt das Warten. Aber Kroatien ist ein schönes Land und somit können wir die Zeit sicher „sinnvoll“ nutzen. Berühmte Städte wie Zadar und Split liegen nicht allzu weit von hier entfernt und die Küste ist wunderschön.
Trotz des Wetters, dass nicht immer „perfekt“ war und einiger kleiner Hindernisse die einfach dazu gehören, sind die ersten Tage so verlaufen wie ich es mir erhofft hatte. Allein unsere Reisegeschwindigkeit könnte noch besser werden. Die Route die wir geplant haben, werden wir in diesem Tempo jedenfalls nicht beenden. Dann muss man sich wiederum fragen, geht es bei einem Roadtrip nicht genau darum? Um das fahren, das Reisen, dieses entschleunigte Lebensgefühl.
Nun, entschleunigt wurden wir fürs erste auf jeden Fall. Die nächste Frage ist, wann nehmen wir wieder fahrt auf?





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